Die Maori-Partei verlangt, dass Neuseeland künftig «Aotearoa» heisst. Damit will sie das koloniale Trauma überwinden. Doch die Bevölkerung zeigte sich in der Vergangenheit nicht sonderlich reformfreudig.
Jacqueline Lipp
Der neue Vorschlag mutet poetisch an: Land der langen weissen Wolke, so etwa lässt sich der maorische Begriff Aotearoa übersetzen. Es soll der künftige Name von Neuseeland sein. Das fordert eine Petition der Te Pāti Māori. Die politische Partei der polynesischen Ureinwohner Neuseelands, die auch die britische Krone als Staatsoberhaupt absetzen will, hat 70000 Unterschriften gesammelt.
Jetzt muss sich das neuseeländische Parlament mit dem Anliegen befassen. Die Partei fordert zudem, dass bis 2026 auch die Städte wieder ihre ursprünglichen Maori-Namen tragen. Debbie Ngarewa-Packer erhofft sich vom neuen Namen den Erhalt der Kultur und ein Gefühl der Identität. Es gehe auch um die Fähigkeit, das Trauma der Kolonisierung zu überwinden, sagte die Co-Chefin der Partei im neuseeländischen Parlament kürzlich in einem Interview.
Millionenteures Seilziehen um neue Flagge
Obwohl es später eine britische Kolonie war, ist das Land nach einer Provinz der Niederlande benannt. Denn entdeckt wurde die Insel im 17.Jahrhundert vom niederländischen Seefahrer Abel Tasman. Er nannte das Gebiet zunächst «Staten Landt», bevor ihm niederländische Kartografen den Namen «Nova Zeelandia» gaben. Neuseeland war geboren.
In jüngster Zeit gab es mehrere Bemühungen, die Kultur der Maori, die rund 17 Prozent der Bevölkerung stellen, stärker sichtbar zu machen. Sei es in der Sprache oder auf symbolischer Ebene. So sind zum Beispiel seit einigen Jahren die neuen Banknoten auch in der Sprache der Maori angeschrieben – ebenso ist darauf die Bezeichnung Aotearoa zu lesen. Doch grenzenlos ist die Erneuerungseuphorie nicht: Als die Regierung 2015 in einem 17 Millionen Franken teuren Prozess eine Alternative zur Nationalflagge suchte, gingen zehntausend Vorschläge ein – am Ende klammerte sich die Bevölkerung gleichwohl an den Union Jack.
Wie oft, wenn es um Identität und Nationalstolz geht, spielen Emotionen mit. Als im Fernsehen jüngst vermehrt Begriffe der – immerhin offiziellen Amtssprache – Te Reo Māori verwendet wurden, meldete die zuständige Behörde eine sprunghafte Zunahme der Beschwerden, wie die Tageszeitung «New Zealand Herald» berichtete. Auch am Landesnamen will offensichtlich ein beträchtlicher Teil festhalten.
Eine Umfrage zeigte im vergangenen Herbst, dass 58 Prozent der Befragten den Status quo bevorzugen, während 41 Prozent eine Änderung wollen. Allerdings sprach sich nicht einmal jeder Zehnte dafür aus, dass Aotearoa den Namen Neuseeland vollständig ersetzen soll. Die Mehrheit der Änderungsfreudigen würde für einen offiziellen Doppelnamen stimmen. Ob es zu einer Abstimmung kommt, ist allerdings noch offen.
Trotz der Skepsis in Teilen der Bevölkerung äussern sich die Initianten der Petition für den Namen Aotearoa zuversichtlich. «Ich glaube wirklich, es ist nur eine Frage der Zeit», sagte Debbie Ngarewa-Packer von der Maori-Partei kürzlich in einem Radiointerview. Und ohnehin verbucht ihre Partei die Petition bereits jetzt als Erfolg. Denn: Neuseeland spricht über das Thema.
Andere Länder, andere Namen, andere Motive
Dass Länder über einen Namenswechsel sinnieren oder sich tatsächlich umtaufen, kommt regelmässig vor. Jüngst forderte etwa der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass sein Heimatland auch in anderen Sprachen künftig als «Türkiye» bezeichnet wird. Das solle dem Ansehen des Landes dienen – und verhindern, dass «Turkey» in diesem Kontext fälschlicherweise als Truthahn übersetzt wird.
Aufgrund sprachlicher Wirren, unter anderem, hat sich auch der König von Swasiland 2018 zu einem Namenswechsel entschieden. Damit seine Heimat nicht mehr mit der Schweiz verwechselt wird («Switzerland» klingt auf Englisch ähnlich wie «Swasiland»), nennt sich der afrikanische Kleinstaat seither Eswatini.
Aus anderen Beweggründen hat Nordmazedonien 2019 seinen Namen angepasst. Das vormalige Mazedonien beendete damit einen jahrzehntelangen Streit mit Griechenland und räumte ein Hindernis auf dem Weg in die Nato und die EU aus dem Weg.
In vielen Fällen ist das Motiv indes ähnlich wie derzeit in Neuseeland: Ein neuer Name soll mit der kolonialen Vergangenheit abschliessen. Besonders in der zweiten Hälfte des 20.Jahrhunderts wandelte sich die Landkarte beträchtlich. Naheliegenderweise änderten Länder wie Britisch-Honduras (Belize) oder Niederländisch-Indien (Indonesien) anlässlich der Unabhängigkeit ihre Bezeichnungen. Aus Ceylon wurde Sri Lanka, aus Rhodesien Simbabwe, aus Obervolta Burkina Faso und aus Burma Myanmar. Die Liste liesse sich weiterführen – und ist offenkundig noch nicht abgeschlossen.
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Franco Arnold
Barbara Barkhausen, Sydney